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«Ich bin Teilzeitvegetarier, Flexitarier»

Tagesanzeiger.ch: (Erstellt: 27.10.2014, 13:37 Uhr)

 

«Ich bin Teilzeitvegetarier, Flexitarier»

Haben Sie gewusst, dass Rolf Hiltl vom gleichnamigen Restaurant nicht voll vegetarisch lebt? Trotzdem sagt er, der moderne Veganer sei cool und habe wenig vom altmodischen Bild des Körnlipickers.

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Herr Hiltl, ich habe eben ein Cordon bleu in Ihrer Vegi-Metzg gekauft. Werde ich den Unterschied zu einem richtigen merken?
Ich glaube schon, ja. Es hat zwar einen Appenzeller Käse drin, wie es sich gehört, den Schinken aber haben wir durch Räuchertofu ersetzt. Beim Tatar würden Sie nichts merken.

Leben Sie vegetarisch?
Ich bin Teilzeitvegetarier, Flexitarier nennt man das heute. Ich bin gerne Vegetarier, mache aber Ausnahmen, etwa, wenn ich am Meer bin. Dann gibt es manchmal Fisch. Natürlich stellt sich die Prinzipienfrage: Fleisch oder nicht. Vielleicht bin ich noch nicht so weit. Für mich stimmt es momentan so, wie es ist.

Ihr Urgrossvater hat das erste vegetarische Restaurant der Welt eröffnet. Sie müssen doch vegetarisch aufgewachsen sein?
Nein. Meine Mutter stammt aus dem süddeutschen Raum, da gab es halt zum Vesper manchmal eine Wurst. Oder zu Hause ein Züri Gschnätzlets. Essen hat so viel mit Traditionen zu tun. Deshalb gibt es auch unsere Vegi-Metzg. Was man als Kind isst, mag man auch später noch. Bei uns gab es manchmal Plätzli an einer Rahmsauce mit Nüdeli, ich sehe das noch vor mir. Ich mochte das sehr, dieses Gefühl kann ich nicht einfach wegbeamen. Und darum möchte ich das heute auch noch in irgendeiner Form essen. Wäre ich in Delhi aufgewachsen, hätte ich kein Bedürfnis nach Fleisch, denke ich.

Haben Sie Ihre Kinder vegetarisch erzogen?
Nein. Céline, sie ist 17, hat zwar kürzlich eine vegane Woche eingelegt, es ist halt gerade im Trend. Der kleine Téo (11) mag kein Fleisch, hauptsächlich aber, weil er es beim Schneiden und beim Kauen zu mühsam findet, und Léna (13) isst zwischendurch gerne ein Würstli.

Zurück zum Cordon bleu. Ist es nicht seltsam, einen vegetarischen Laden Metzg zu nennen?
Warum denn? Es gibt immer weniger Metzgereien, in Zürich zumindest. Und eine Metzgerei ist doch etwas Schönes! Kinder bekommen ein Rädli Wurst, das machen wir übrigens auch so.

Das Wort «metzgen» impliziert , dass etwas geschlachtet wird.
In unserer Metzg hängen ja auch viele Messer (lacht). Tatsächlich gab es auf einen Zeitungsbericht über unsere Vegi-Metzg extrem viel und extrem emotionale Reaktionen. Immer wieder tauchte die Frage auf: Was soll das? Warum braucht es eine vegetarische Bratwurst? Ich finde: Eine Wurst muss doch einfach fein sein. Ich begreife nicht, warum unbedingt ein totes Tier drin sein muss. Wir bieten ja auch einen Service an, denken Sie an eine Schulreise. Heutzutage gibt es Mädchen, die vegetarisch essen wollen. Sollen sie im Wald ein Rüebli bräteln? Die werden doch ausgelacht. Mit einer Vegiwurst ist alles voll easy.

Warum sind die Diskussionen um Veganismus und Vegetarismus immer so emotional?
Ich vermeide es, von Vegetarismus zu sprechen. Ich rede lieber von vegetarischer Ernährung, weil es für mich in erster Linie nicht um eine Ideologie geht, sondern um sinnvolle Ernährung. Vielleicht ist das der Grund, warum die Emotionen hochschaukeln: Für viele geht es um mehr als ums Essen. Vegan leben ist eine Weltanschauung geworden. Gegner haben Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird. Fleisch essen hat bei uns eine lange Tradition.

Vielleicht nehmen Sie Fleischliebhabern ja wirklich etwas weg, das ihnen wichtig ist: Sie setzen sich ein für eine Ernährung, die nicht ihrer entspricht.
Nein. Ich bin da ganz entspannt. Hiltl steht für gesunden Genuss, wir sind nie mit dem Zeigfinger unterwegs. Jeder soll essen, was er will. Letzthin beobachtete ich eine Frau in unserem Restaurant, deren Sohn einen McDonald’s-Hamburger ass. Ich fand das lustig und sagte: Mach es, aber bitte diskret.

Was raten Sie Menschen, die sagen, sie könnten ohne Fleisch nicht leben?
Ich erzähle folgende Geschichte: Letzthin in einem unserer Kochkurse fragte mich ein Vater: Was soll ich tun? Mein Sohn will ständig Wienerli mit Ketchup essen. Ich fragte ihn: Was essen Sie denn am liebsten? Er: Wienerli mit Ketchup. Solche Beispiele zeigen mir, dass Fleisch essen oft reine Gewohnheit ist. Ich glaube nicht, dass jemand ernsthaft Fleisch braucht. Es geht sehr gut ohne. Aber ich weiss schon, wie das ist, sehe ich ein Steak auf dem Grill, dann hab ich auch Lust. Oder eine St.Galler Bratwurst – die ist einfach gut. Doch mir geht es hier um den Genuss und nicht darum, dass ich sie unbedingt brauchen würde.

Was ist mit Leuten, die körperlich schwere Arbeit leisten?
Natürlich braucht ein Handwerker mehr als ein Salätli mit einer Zitrone. Die Energiezufuhr kann man auch anders abdecken. Mit einem Steinpilzrisotto, Parmesan und Rahm zum Beispiel. Oder essen Sie einen Schoggikuchen. Dann haben Sie Ihre Kalorien.

Parmesan und Rahm sind in Ihrem neusten Kochbuch nicht zu finden, dort geht es um vegane Ernährung, die Milchprodukte aussen vor lässt. Wird Hiltl jetzt vegan?
Nein. Wir durchlaufen allerdings einen Veganisierungsprozess. Das heisst, wir schauen uns die Gerichte an und entscheiden, ob es Sinn macht, die vegane Variante anzubieten. Ihr Cordon bleu, das Sie in der Vegi-Metzg gekauft haben (zeigt auf die Packung auf dem Tisch) ist nicht vegan – wegen des Appenzeller Käses. Er ist wichtig für den Geschmack. Auch das Rührei auf dem Zmorgenbuffet streichen wir nicht. Man könnte es zwar mit Tofu zubereiten, aber das überzeugt mich – noch – nicht. Das Tatar wiederum ist vegan und wenn man Margarine statt Butter auf den Toast streicht, ist dieser Bestseller rein vegan und sehr fein.

Ich behaupte: Vegane Ernährung ist nur ein Trend.
Ich glaube, dieser Trend wird sich halten. Es wächst eine neue Generation von Veganern heran. Schauen Sie zum Beispiel unsere 22-jährigen DJs im Hiltl-Club an. Sie sind oft Veganer aus einer Selbstverständlichkeit heraus, sie haben nichts mehr mit dem Körnlipickertum von früher zu tun. Sie missionieren nicht. Diese Jungen leben vegan und sind mitunter deshalb, auf Zürichdeutsch, einfach «geili Sieche».

Das sagt man auf Berndeutsch auch Aber ist ein vegetarischer Club wirklich so cool?
Aber ja. Anscheinend kann man bei uns am besten Frauen kennenlernen. (Zeigt sein Handy mit den entsprechenden News.) Frauen, die sich bei uns am Buffet bedienen, wollen auch tanzen. Eine Veganerin hört ja nicht einfach auf zu tanzen, und Musik und Wodka sind auch vegan.

Können wir vegetarisch leben, weil es uns so gut geht?
Ja, auch. Wenn man wie meine Grossmutter zwei Weltkriege durchlebt hat, ist man froh, man hat etwas zwischen den Zähnen. Sie hat sich damals wohl keine Gedanken zur vegetarischen Ernährung gemacht.

Aber wir in der heutigen westlichen Welt können es uns leisten, keine Tiere mehr zu töten.
Ja, das könnten wir. Aber wir sind verwöhnt. Während es früher Sonntagsbraten gab, liegt heute das Fleisch unblutig verpackt in den Regalen der Grossverteiler. Was nichts mehr kostet, verliert an Wert. Und in diesem Fall ist das Schlimme, dass es um Lebewesen geht. Deshalb kann ich auch nachvollziehen, wenn jemand sagt: Ich will die Massentierhaltung nicht mehr unterstützen, ich lebe jetzt vegan.

Und umgekehrt: Können wir es uns ökologisch gesehen überhaupt noch leisten, Fleisch zu essen?
Es ist ja alles eine Frage der Menge. Gehe ich mit Kollegen in die Beiz, bestellen alle ein Rindsfilet. Würde das überall auf Welt passieren, ginge es nicht mehr. Ich finde deshalb auch, Fleischesser müssten einem Huhn den Kopf abhauen können.

Sie haben Hühner getötet?
Nein. Aber während meiner Kochlehre im Dolder Grand hab ich Dutzende ausgenommen und halbe Kälber zerlegt. Fische habe ich schon getötet und ausgenommen. Ich habe keine Hühner getötet. Aber ich könnte.

Aber Sie sind froh, wenn Sie nicht müssen.
Ich sage es mal so: Hiltl gibt es seit 116 Jahren, wir bedienen pro Tag über 2000 Gäste. Rechnen Sie mal aus, welche Fleischberge wir nicht gekocht haben. Würden wir die toten Tiere hier aufstapeln, wäre der Berg ein x-faches unserer Liegenschaft.

In mehreren Kantonen kämpfen grüne Gruppierungen für mehr obligatorische vegetarische Menüs in öffentlichen Kantinen. Was halten Sie davon?
Nicht viel. Ich finde nicht, dass vegane Ernährung politisch verankert werden sollte. Wir haben genug Gesetze in der Schweiz. Die Nachfrage bestimmt doch letztlich das Angebot.

Wohl haben auch viele Köche Berührungsängste mit vegetarischen oder veganen Menüs.
Ja, das ist eine Lücke in der Ausbildung. Man lernt nach Pauli, immer noch. Vegan und vegetarisch kochen läuft immer nur so nebenbei. Vegetarische Kochkurse sind gefragt.

Ein hipper Veganer ist der Deutsche Buchautor Attila Hildmann. Kennen Sie ihn?
Aber ja, er war auch schon hier. Hat sich über Facebook angekündigt, fuhr mit seinem weissen Porsche vor, schickte mir ein Selfie und schrieb: Ich komme. Ein lustiger.

Die neue Generation also?
Ja, während des Essens filmte er mich permanent, er hängt die ganze Zeit auf diesen sozialen Medien ab. Das ist sein Konzept. Er macht das gut. Er kam mir vor wie ein Rockstar.

Auch Sie haben, zusammen mit den Frei-Brüdern der Tibits-Betriebe, an denen Sie zu 50 Prozent beteiligt sind, ein Kochbuch herausgegeben: «Vegan Love Story». Warum trägt es einen englischen Titel? Das schreckt doch viele ab.
«Vegan Love Story» tönt nun mal besser als vegane Liebesgeschichte. Natürlich hat das auch mit unserer Internationalität zu tun, unsere Mitarbeiter stammen aus über 50 verschiedenen Nationen. Und die Vielfalt an vegetarischen Rezepturen ist in Asien nun mal viel grösser. Ohne Currys wären wir aufgeschmissen.

Was soll der Fleischesser daraus kochen?
Unbedingt ein Hauptgericht, keine Vorspeise, sonst heisst es wieder: Vegetarisch ist nur Salat. Linseneintopf zum Beispiel. Ob diese Würfeli jetzt aus Poulet oder Tofu sind, wird der Fleischesser auch gar nicht merken – und es spielt nun mal wirklich keine Rolle.

Für Sie vielleicht nicht, aber bei Tofu wird normalerweise die Nase von Fleischmoudis gerümpft.
Sagen Sie nicht, dass Sie mit Tofu kochen, ja nicht! Meine Kollegen sagen ja immer: Tofu macht blind (lacht). Seit 20 Jahren. Machen Sie es deshalb so wie wir: Wir schreiben das Lokal gar nicht mit «vegetarisch» an. Manche Gäste fallen aus allen Wolken, wenn sie merken, dass sie vegetarisch gegessen haben. (Berner Zeitung)

(Erstellt: 27.10.2014, 13:37 Uhr)

 

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(Tages-Anzeiger.ch - Erstellt: 03.10.2014, 07:11 Uhr)

Geld verdienen mit dem Vermieten des eigenen Autos

Das Zürcher Start-up Sharoo lanciert Mobility für Privatautos. Die Investoren sind prominent – den Mini gibts für 10 Franken pro Stunde.

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Von Adrian Sulc

 

Migros, Mobiliar und MobilityDer weisse Mini Cooper steht in einer Quartierstrasse im Zürcher Seefeld und kann rund um die Uhr gemietet werden. 10 Franken pro Stunde oder 60 Franken für einen ganzen Tag kostet die Miete, dazu kommt eine Versicherungsprämie und ab Kilometer 50 ein Kilometertarif. Wer sich bei der Zürcher Firma Sharoo mit einer Kopie seines Führerscheins registriert hat, kann den Mini im Internet reservieren und ihn vor Ort mit der ­Sharoo-Smartphone-App aufschliessen. Der Zündschlüssel liegt dann im Handschuhfach bereit. Nach der Benützung wird das Auto wieder an seinem Platz abgestellt und mit der App abgeschlossen. Mieter und Vermieter müssen sich nie treffen, die aufwendige Schlüsselübergabe entfällt.

Die Geschäftsidee von Sharoo leuchtet ein: Die meisten Autos im Land stehen häufig unbenutzt herum. Das Internet macht es nun – wie bei Ebay oder Airbnb – möglich, dass Anbieter und Nachfrager eines ganz spezifischen Produkts miteinander ins Geschäft kommen.

Im Fall des weissen Mini sieht es jedoch danach aus, als hätte der Anbieter noch kaum Nachfrager gefunden: Der Reservationskalender ist für diese ­Woche komplett leer. Bei vielen anderen Autos sieht es ähnlich aus – ausgelastet sind sie noch lange nicht.

Das liegt auch daran, dass die Plattform von Sharoo erst im vergangenen Mai lanciert wurde. Rund 300 Autos sind in Schweizer Städten heute mit dem System ausgerüstet, welches das Fahrzeug mittels Smartphone-App öffnen und schliessen kann. 400 Franken kostet das Gerät, bisher hat es Sharoo allen Teilnehmern geschenkt. Knapp 5000 Mieter haben sich laut Sharoo-Chefin Eva Lüthi registriert. Doch es wurden bislang erst 1700 Fahrten getätigt. «Wir müssen Ende Jahr nochmals kräftig Gas geben», sagt Lüthi dazu.

Finanzieren soll sich Sharoo dereinst mittels Kommissionen auf den Mietpreisen. Diese betragen je nach Modell 5 bis 30 Prozent. Dass die Gewinnschwelle noch weit entfernt ist, muss Firmen­chefin Lüthi keine Sorgen bereiten: Die Aktionäre von Sharoo sind drei der bekanntesten Genossenschaften im Land: Die Migros besitzt über ihre Elektro­mobilitäts-Tochter M-Way 56 Prozent am Unternehmen, die Berner Versicherung Mobiliar 33 Prozent und die Car­sharing-Organisation Mobility die restlichen 11 Prozent. Den drei Genossenschaften geht es nicht in erster Linie darum, dass Sharoo Gewinne abwirft. Und sie haben das Unternehmen mit ­finanziellen Mitteln ausgestattet, von denen andere Start-ups nur träumen können. Allein das Aktienkapital von Sharoo beträgt 900'000 Franken.

Die Migros sieht das Modell als Ergänzung für ihre Elektroauto- und Nachhaltigkeitsinitiative. Für die Mobiliar wiederum ist Sharoo ein Experimentierfeld für Versicherungslösungen in der sogenannten Sharing Economy. Natürlich müssen die Sharoo-Nutzer die Vollkasko-Versicherung (rund 15 Franken für 4 Stunden Mietzeit) bei der Mobiliar abschliessen. «Wir lernen, wie wir Risiken versichern, die wir nicht genau kennen und die nur für eine beschränkte Zeit entstehen», schreibt Mobiliar-Sprecher Jürg Thalmann.

Mobility, die dritte Aktionärin, will Sharoo nicht als Konkurrenz zum eigenen Angebot betrachten. Die beiden Angebote würden verschiedene Nutzer anziehen, so Mobility-Sprecher Patrick Eigenmann. Je mehr Angebote es gebe, «desto stärker verankert sich die Idee des Carsharings in der Schweiz».

«Vertrauen ist ein Riesenthema»

Weil bei Sharoo anders als bei Mobility Privatautos angeboten werden, muss das Vertrauen in die Mieter deutlich grösser sein. Deshalb bietet Sharoo den Vermietern an, ihr Auto auch nur mit dem eigenen Freundeskreis oder Leuten aus der eigenen Nachbarschaft zu teilen. Zudem können sie die Option «auf Anfrage» wählen, bei welcher sie zuerst das Profil des Automieters begutachten können. «Vertrauen ist ein Riesenthema», sagt Sharoo-Chefin Lüthi. So müssen sich Mieter und Vermieter denn auch nach jeder Fahrt gegenseitig bewerten und erhalten so positive Bewertungspunkte – in der Sharing Economy eine Art zweite Währung.

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